Dienstag, 26. Juli 2011

Weekend in Tuzla


Nach dem Abschied der ersten Gruppe, reisten wir Schweizer Volunteers fürs Wochenende nach Tuzla. Mit dem Bus brauchten wir 1 ½ Stunden durch verwinkelte, kurvige Strassen. Bei der Ankunft bot sich uns jedoch kein unbedingt schönes Bild an. Der Autor dieses Textes fühlte sich durch den Anblick von Plattenbauten aus der Tito-Ära sehr über architektur-psychologische Fragen angeregt und kam zum Entschluss, dass Kommunismus sehr hässlich sein kann. Warfen diese überdimensionalen, futuristischen Angstbauten kein zuversichtliches Bild in die unsichere Perspektive des realsozialistischen Europas? Doch recht unverständlich, wie innerhalb dieser vollständigen Anonymität, in diesen resonanzlosen Betonkonstruktionen, ein Funke freie Entfaltung entstehen kann. Was auch nicht unbedingt im Interesse eines totalitären Systems ist. Kopfschüttelnd aus dem Fenster schauend, staunend über riesige Fassaden, unzählige Balkone. Und da leben irgendwo auch Menschen. Ganz viele reingestopft.




Tuzla selber hat eine interessante Geschichte. Sozialistisch geprägt , bot die Stadt während dem Bosnienkrieg Zuflucht für Flüchtlinge aller Ethnien. Der Föderation zugehörend, leben viele Muslime, aber auch Katholiken und Orthodoxe nebeneinander. Wenn der Muezzin zum Gebet ruft, klingeln die Glocken der christlichen Kirchen nebenan. Das ist irgendwie schön.





Vom Krieg selber verschont (die Stadt war nicht besetzt), geschah am 25. Mai 1995 – zum Ende des Krieges – ein verheerender Anschlag von serbischen Paramilitärs, die am Geburtstag Titos und dem am gleichen Tag stattfindenden Tag der Jugend, eine Granate in ein Café mit feiernden Jugendlichen warfen und 71 Menschen töteten. Ein Mahnmal mit Rosen erinnert heute noch daran.



Nach einer Woche Camp auf dem Lande und den Besuchen in Bijeljina, eine doch grosse Stadt in der Republika Srpska, jedoch recht verschlafen und ohne richtiges „Zentrum“, tat uns der Besuch einer grossen Stadt mit einer richtigen Innenstadt und Nachtleben doch recht wohl. Unsere Nacht in einem gepflegten Hotel machte uns wieder bemerkbar, wie froh wir um Details wie Handtücher, warme Duschen und einem richtigen Bett sind. Da Tuzla als Universitätsstadt gilt, leben dort recht viele junge Menschen und dies macht sich in der ganzen Dynamik der Stadt bemerkbar. Wir konnten endlich wieder mal richtig ausgehen.


Auf einem grossen Platz mit vielen Springbrunnen tranken wir Cappuccino und hatten auf das wohl schönste Minarett in Tuzla Aussicht. Wir genossen jeden Moment um Energie zu tanken und vom Tapetenwechsel zu profitieren. Die Stadt, bunt, herrlich heruntergekommen und lebendig, gab uns einen Einblick in eine andere Perspektive dieses Landes, eine Stadt in der Föderation, in der man mal keine Speisekarte in kyrillisch angeboten bekommt. Aber Scherz beiseite. Auf der Busfahrt zurück erblickten wir Schilder die auf Minen aufmerksam machten und viele Ruinen. Ob vom Krieg zerstört oder einfach verlassen, die ganze Stimmung inmitten dem Nebel, der aus den Wäldern stieg, war doch recht beängstigend.


Zurück im Camp sind wir motiviert auf die zweite Woche und gespannt auf die nächsten Volunteers.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen